Wer zahlt die Pensionen einer alternden Gesellschaft?

05.12.2023 Pensionskasse Weit.Blick Pension

Die Älteren werden immer mehr und leben länger, während junge Erwerbstätige immer weniger werden und angeblich nicht nach Karriere streben, sondern nach Work-Life-Balance und 30-Stunden-Jobs. Wer also zahlt zukünftig die Pensionen?

Zwei Miniaturfiguren älterer Menschen, ein Mann und eine Frau, sitzen jeweils auf gestapelten Euromünzen, die zu kippen drohen. Der Mann sitzt auf einem etwas höheren Münzstapel als die Frau.

Die Älteren werden immer mehr und leben länger, während junge Erwerbstätige immer weniger werden und angeblich nicht nach Karriere streben, sondern nach Work-Life-Balance und 30-Stunden-Jobs. Wer also zahlt zukünftig die Pensionen?

Wer zahlt künftig die Pensionen?

Diese Frage ist nicht nur berechtigt, sondern hochbrisant, wenn man die Funktionsweise unseres Pensionssystems, das sogenannte Umlageverfahren, betrachtet. Die Erwerbstätigen finanzieren nämlich die derzeitigen Pensionist:innen. Dazu wird von allen Erwerbstätigen ein bestimmter Beitrag an die Pensionsversicherung abgeführt und sofort als Pensionen ausbezahlt. Von den Beiträgen wird nichts für die eigene Pension angespart, wie es das Pensionskonto der Sozialversicherung durch seinen Namen suggeriert. Die Beiträge werden sofort ausgegeben. Die heutigen Erwerbstätigen müssen demnach darauf vertrauen, dass nachfolgende Generationen ihre Pensionsbeiträge ebenso bezahlen, wie das heute der Fall ist. Deshalb wird dieses System auch als Generationenvertrag bezeichnet, weil jeweils die aktive Generation die Pensionist:innen-Generation finanziert.

Wird der Generationenvertrag in der Zukunft halten?

Eine Illustration zeigt die steigende Lebenserwartung von Männern und Frauen in den Jahren 1951, 2021 und 2080.  1951: Männer 62,4 Jahre, Frauen 67,8 Jahre. 2021: Männer 78,8 Jahre, Frauen 83,7 Jahre. 2080: Prognostizierte Lebenserwartung von Männern 89,2 Jahre, Frauen 92,0 Jahre.

Die Lebenserwartung steigt
© Midjourney

Die schlechte Nachricht: Dieses System trägt sich schon heute nicht selbst, weil die Beiträge der berufstätigen Bevölkerung für die Pensionen nicht ausreichen. Der Staat muss das Pensionssystem mittlerweile mit rund 26 Milliarden Euro Steuergeld jährlich subventionieren, was in etwa einem Viertel des gesamten Bundesbudgets entspricht. „Derzeit steigen die Pensionen höher als die Beitragsgrundlagen. Diese Beitragsgrundlagen schaffen die Finanzierung der Ausgaben nicht mehr, da klafft eine große Lücke“, sagt Walter Pöltner, zuletzt Vorsitzender der Alterssicherungskommission. Das Geld fehle schon heute in anderen wichtigen Bereichen, es fehle etwa im Gesundheitsbereich, in der Pflege oder in der Bildung.

 

Alterssicherungskommission mit alarmierendem Gutachten

Der Einwand, dass ein staatlicher Budgetzuschuss zum Pensionssystem immer schon vorgesehen und somit systemkonform sei, kommt regelmäßig vor allem von Arbeiterkammer und Gewerkschaft. In Österreich wurde bei der Schaffung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) im Jahr 1956 sogar eine Drittelfinanzierung beschlossen (Arbeitnehmerbeiträge/Arbeitgeberbeiträge/Bundesbeitrag). Ein Gutachten der Alterssicherungskommission von November 2022 hat die Diskussion um die Finanzierung aber erneut aufkommen lassen. Demnach sollen die staatlichen Ausgaben für die Pensionen (inklusive jener der Beamt:innen) von 5,8% im Jahr 2022 auf 6,73% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Jahr 2027 anwachsen. In absoluten Zahlen bedeutet das einen Anstieg von derzeit rund 26 auf fast 38 Milliarden Euro.

Auch die Bevölkerungsprognose der Statistik Austria zeigt für die Zukunft starke Veränderungen, die für die Finanzierung des Pensionssystems herausfordernd werden: Die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter zwischen 20 und 64 wird sinken. Allein bis zum Jahr 2030 wird sich diese Zahl um mehr als 100.000 reduziert haben.

Babyboomer:innen gehen in Pension

Eine Illustration zeigt die Entwicklung des Verhältnisses von Erwerbstätigen zu Pensionist:innen in den Jahren 1950, 2021 und 2040.  1950: Auf eine:n Pensionist:in kommen sechs Erwerbstätige. 2021: Das Verhältnis sinkt auf drei Erwerbstätige pro Pensionist:in. 2040: Prognostiziert wird, dass nur noch zwei Erwerbstätige eine:n Pensionist:in finanzieren.

Immer weniger Personen im Erwerbsalter stehen immer mehr älteren Menschen gegenüber.
© Midjourney

Der Hauptgrund für den Rückgang der Berufstätigen ist, dass die geburtenstarken Babyboomer:innen-Jahrgänge der 1950er- und 1960er-Jahre in Pension gehen. Die Zahl der über 65-Jährigen wird bis 2050 laut Prognose der Statistik Austria um 58% (im Vergleich zu 2021) auf 2,74 Millionen Personen ansteigen. Damit müssen in Zukunft immer weniger Erwerbsfähige immer mehr Pensionist:innen finanzieren. Zum Vergleich: Im Jahr 1950 kamen auf eine über 65-jährige Person noch sechs Personen im erwerbsfähigen Alter. Heute sind es lediglich drei Personen, und im Jahr 2040 werden es voraussichtlich nur noch zwei Erwerbsfähige sein.

Pauline Pohl, Expertin für Bevölkerungsentwicklung bei der Statistik Austria, erklärt: „Wir gehen aktuell davon aus, dass der Anteil der jungen Bevölkerung unter 20 Jahren langfristig relativ konstant bei rund 19% liegen wird, während es zu einer Verschiebung der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter hin zum Pensionsalter kommen wird. Zu Jahresbeginn 2023 waren noch 61% der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter und rund 20% im Pensionsalter. Bis 2040 wird der Anteil der Erwerbsfähigen laut aktueller Prognose auf 55% sinken, während der Anteil der Senior:innen auf 27% ansteigen wird. Aber auch innerhalb der Gruppe der Älteren ändert sich einiges. Insbesondere die Zahl der Betagten und Hochbetagten, also der über 80-Jährigen, wird deutlich zunehmen: bis 2040 um rund 120%.“ Diese Prognosen sind nicht nur für das Pensionssystem relevant, sondern vor allem für unser Gesundheitssystem und die Pflege von großer Bedeutung.
 

Unser Pensionssystem ist sicher. Ist es das?

Die Arbeiterkammer und die Gewerkschaften sehen nicht nur die Erwerbsfähigen, sondern in erster Linie die Beschäftigungsquote als relevant für die Finanzierung des Pensionssystems an. Dem stimmt auch Pohl zu. Ein wichtiger Aspekt sei, was innerhalb dieser Gruppe passiere: „Wir haben noch Potenzial bei der Erwerbsbeteiligung von Frauen. Die ist zwar in den letzten Jahrzehnten stark gestiegen, der Anstieg ist aber großteils auf Frauen in Teilzeitarbeit zurückzuführen. Auch bei älteren Menschen gibt es noch Luft nach oben, denn die Erwerbsquote sinkt schon vor dem gesetzlichen Regelpensionsalter enorm. Während neun von zehn 45- bis 54-Jährige zu den Erwerbspersonen zählen, also entweder erwerbstätig oder arbeitslos sind, sind es in der Gruppe der 55- bis 64-Jährigen nur noch knapp sechs von zehn.“ In der Altersgruppe 65+ seien dann lediglich noch 5% erwerbstätig.

Würde es also reichen, künftig die Beschäftigungsquote zu erhöhen, um die Finanzierung unseres Pensionssystems zu sichern? Und wäre das so einfach möglich? Der Arbeitskräftemangel in Österreich zieht sich quer durch alle Branchen, die Anzahl der offenen Stellen auf dem Arbeitsmarkt ist derzeit auf einem Rekordniveau.

Arbeitswelt im Wertewandel

Miniaturfigur eines Mannes mit Sonnenbrille, der oberkörperfrei und in Shorts an einem Strand sitzt und an einem Laptop arbeitet. Um ihn herum befinden sich weitere technische Geräte, darunter ein zweiter Laptop und eine Kamera

Arbeitswelt im Wertewandel
© Midjourney

Hartnäckig hält sich die Behauptung, dass sich manche – hier steht die jüngere Generation oft unter Generalverdacht – die unflexiblen Arbeitszeiten oder schlechte Bezahlung in manchen Branchen nicht mehr antun wollen, mehr auf ihre Work-Life-Balance achten und deshalb am liebsten nur mehr halbtags arbeiten möchten. Tatsache ist, dass die Teilzeitquote bei Frauen derzeit bei rund 50% liegt, im Jahr 2004 lag sie bei rund 40%. 

Das hänge zum Teil mit Schwierigkeiten bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie zusammen, aber nicht nur, analysiert Pohl: „Betrachtet man die 25- bis 64-Jährigen Frauen, die mit mindestens einem Kind in der Familie leben, so ist die Teilzeitquote seit 2004 von 54% auf 67% gestiegen. Unter den Frauen, die ohne Kinder leben, ist sie aber ebenfalls gestiegen, nämlich von 28% auf 39%. Bei den Männern spielt Teilzeitarbeit weiterhin eine geringere Rolle, dennoch haben sich die Teilzeitquoten seit 2004 verdoppelt – und zwar sowohl bei Männern mit als auch bei Männern ohne Kinder.“

Auch das österreichische Arbeitsmarktservice (AMS) meldet in seiner Aussendung von April 2023, dass atypische Beschäftigungsverhältnisse bereits seit Jahren deutlich zunehmen: 2022 betraf das bereits mehr als ein Drittel aller abhängigen Beschäftigungsverhältnisse. Darunter fallen nach dieser Erhebung alle Nicht-Vollzeitjobs, aber auch freie und geringfügige Beschäftigungsverhältnisse. Ein interessanter Aspekt für den jetzigen Arbeitskräftemangel, aber auch für die langfristige Finanzierung unseres Pensionssystems in diesem Zusammenhang: Obwohl derzeit 100.000 Menschen mehr arbeiten als noch vor Corona (2019), hat sich laut AMS die Menge an geleisteten Arbeitsstunden insgesamt reduziert.

Sollte sich dieser Trend fortsetzen, wird unser Pensionssystem tatsächlich in eine Schieflage geraten. Denn die Lösung fast aller Expert:innen – über die Grenzen ideologischer und politischer Weltanschauungen hinweg – lautet, dass sich zukünftig die erwerbsfähige Bevölkerung stärker am Erwerbsleben beteiligen muss als in vergangen Jahren, und nicht weniger. „Aus Sicht des Umlageverfahrens wäre es außerdem schon längst eine Pflicht gewesen, das Pensionsantrittsalter entsprechend der längeren Lebenserwartung anzuheben, natürlich mit allen arbeits- und gesundheitsrechtlichen Regelungen“, ist sich Pöltner sicher. 

Das sei ein notwendiger Schritt: „Das sollte man auch den Jungen so sagen: Es wird für dich kein Problem sein, bis 67 zu arbeiten, weil du eine Lebenserwartung von 90 Jahren hast. Du wirst dann so gesund sein wie heute ein ein:e 50-Jährige:r. Aber natürlich muss man alternative Methoden finden, wie Betriebe einen guten Mix schaffen zwischen Jungen und Alten.“ Dafür müssten sich aber auch viele Rahmenbedingungen in unserer Gesellschaft ändern, sind sich Pohl und Pöltner einig. Nur so könne es gelingen, Frauen und ältere Arbeitnehmer:innen mit mehr Stunden und generell länger im Erwerbsleben zu halten.

Hilft Zuwanderung dem Pensionssystem?

Neben der Steigerung der Erwerbsbeteiligung gibt es weitere Ansätze und Ideen, unser Pensionssystem langfristig abzusichern, etwa durch höhere Pensionsbeiträge für die Aktiven bzw. ein Absenken des Leistungsniveaus der Pensionen. Solche Maßnahmen stoßen jedoch auf wenig Gegenliebe in der Bevölkerung.

Ein anderer Ansatz ist, auf Zuwanderung aus dem Ausland zu setzen, vor allem von gut ausgebildeten jüngeren Menschen. Zuwanderung war und ist der Grund, warum Österreichs Bevölkerung in den letzten Jahrzenten stetig angewachsen ist – ohne sie wäre das Pensionssystem schon lange in Schieflage. Denn wenn es von heute auf morgen keine Zuwanderung mehr gäbe, würde Österreich sofort schrumpfen, erklärt Pauline Pohl: „Ohne Zuwanderung würde die Bevölkerungszahl von aktuell rund 9 Millionen bis 2080 auf 6,7 Millionen sinken, das wäre ein Rückgang um ein Viertel.“ Dennoch gelte auch bei uns: „Die Zuwanderung ist verantwortlich für das Bevölkerungswachstum, sie kann aber die Überalterung der Gesellschaft maximal abmildern, jedoch nicht aufhalten oder umkehren. Wir gehen langfristig davon aus, dass die Netto-Zuwanderung bei rund 30.000 Personen pro Jahr liegen wird. Das sind zu wenige, um den Übertritt der starken Geburtenjahrgänge in höhere Altersklassen auszugleichen und die Altersstruktur umzukehren.“

Nördliche Länder Vorbild für nachhaltige Pensionssysteme

Mit dem Problem einer alternden Bevölkerung steht Österreich nicht alleine da. Demografische Veränderungen, hervorgerufen durch niedrigere Geburtenraten und eine steigende Lebenserwartung, stellen fast alle entwickelten Industriestaaten vor Herausforderungen. Entspannter sehen allerdings Länder mit einem ergänzenden kapitalgedeckten Pensionssystem der Zukunft entgegen. In diesen Ländern wurde zumindest ein Teil der Pensionen bereits in den letzten Jahrzehnten auf dem Kapitalmarkt angespart und steht nun auf individuellen Pensionskonten zur Auszahlung zur Verfügung. Der Unterschied zu Österreich: Es handelt sich um keine fiktiven Gutschriften, die erst durch Erwerbstätige eingezahlt werden müssen – die Gelder wurden Jahr für Jahr für jede:n einzelne:n Pensionsbezieher:in angespart. Dieser Teil der Pension ist daher bereits ausfinanziert und unabhängig von demografischen Veränderungen verfügbar.

Es ist kaum verwunderlich, dass Länder mit einem ausgewogenen Verhältnis zwischen „staatlicher“, betrieblicher und privater Vorsorge in allen internationalen Studien am besten abschneiden. Vorbild sind vor allem Länder wie die Niederlande, Dänemark, Schweden, Finnland oder Island. Sie alle haben schon vor 30 Jahren betriebliche Altersvorsorge gefördert und ausgebaut und stehen jetzt im Verhältnis zu Österreich deutlich besser da. Expert:innen fordern daher auch für Österreich einen Ausbau der zweiten Säule des Pensionssystems. Hierzulande haben lediglich 25% der Arbeitnehmer:innen eine betriebliche Altersvorsorge in Form einer Firmenpension. Durch eine Stärkung dieser Säule könnte man das System zukunftsfitter gestalten und – im Sinne der künftigen Generationen – die Finanzierungslast der Pensionen auf mehrere Standbeine stellen.

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